Fruchtbarer Nährboden für extreme Rechte und Verschwörungsideologien?
Die Bauernproteste in Deutschland
Die Bauernproteste in Deutschland
Paula Matlach & Sara Bundtzen
19.02.2024
Anfang des Jahres hielten landesweite Bauerndemonstrationen Deutschland in Atem, unter deren Protestparolen sich schnell völkische Klänge fanden. In einer aktuellen Kurz-Analyse konnte das ISD feststellen, dass die Proteste nicht etwa (nur) von Rechts gekapert wurden, sondern dass zuweilen rechte Gesinnungen aus dem inneren Kreis der Landwirt:innen selber stammten. Genauer gesagt, sind einige der für die Organisation der Demonstrationen zentralen Landwirt:innen, die eine Schlüsselrolle bei der Organisation der Demos spielten, mit einem größeren verschwörungsideologischen und rechtsextremen Netzwerk verbunden, das über Deutschland hinausgeht. Sie greifen auf ein bereits bekanntes Handbuch rechtsextremer und populistischer Narrative zurück – einschließlich der „Great Reset“-Verschwörung und der Leugnung des Klimawandels. Auch wenn sich vermutlich viele Demonstrant:innen des gefährlichen Kontextes der verwendeten Narrative und Symbolik nicht bewusst waren, gibt es Anzeichen für eine (spontane) Mobilisierung und einen Nährboden für rechtsextreme Ideologie.
Wiederholte Verwendung von antidemokratischer Symbolik
Eine Fahne, die bei den Bauernprotesten immer wieder auftauchte, zeigt das Landvolk-Symbol: einen weißen Pflug und ein rotes Schwert auf schwarzem Grund. Der Ursprung dieses Symbols liegt in der Landvolkbewegung der 1920er und 1930er Jahre, die sich damals in Schleswig-Holstein formierte, wo die Landwirt:innen gegen billiges Importgetreide, niedrige Preise, hohe Zinsen und Steuern protestierten. Die Bewegung und das Emblem stehen historisch betrachtet für eine nationalistische „Blut und Boden“-Ideologie, die antisemitische und antidemokratische Haltungen propagiert. Unter der Parole „Kampf dem jüdisch-parlamentarischen System“ fand die Bewegung auch außerhalb Schleswig-Holsteins Sympathisant:innen. Neben Steuerstreiks, Kundgebungen und Lieferboykotts verübten radikalisierte Mitglieder Bombenanschläge auf Rathäuser und Landratsämter. Der Anführer der Bewegung, der Landwirt Wilhelm Hamkens, behauptete, die Ursachen der Krise lägen nicht nur in der Inflation, den Kriegsreparationen und den Handelsabkommen, sondern in den Krediten des „international-jüdischen Großkapitals“, das auf „die Enteignung der Landwirtschaft“ und die „Versklavung des deutschen Volkes“ abziele.
Auch bei den jüngsten Bauernprotesten Anfang 2024 wurden Fahnen mit dem ebenso nationalistischen wie antisemitischen Symbol gezeigt, aber jegliche Verbindung zwischen dem Symbol und der extremen Rechten abgestritten. Bereits im Juni 2020 stellten rund 500 Landwirt:innen und mehr als 300 Fahrzeuge in Schleswig-Holstein das Landvolk-Symbol als Protestaktion nach, die von einem örtlichen Landwirt und Politiker organisiert wurde.
Der betreffende Landwirt erklärte öffentlich, er würde „voller Stolz mit dieser Fahne“ für sich und seinen Berufsstand eintreten und ging in einem auf Facebook geposteten Video nicht auf dessen antisemitische und nationalistische Bedeutung ein. Der Landwirt ist Mitglied der „Freien Bauern“, eine nach eigenem Bekunden „Interessensorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe”, die eine Erklärung veröffentlicht hatte, in der es hieß, die Forderungen der Landvolkbewegung von 1928 seien „legitim“. Weiter hieß es, heute bräuchte sich „niemand dafür zu schämen“, die Flagge zu zeigen, obwohl „strategische Fehler“ gemacht wurden.
Bei den jüngsten bundesweiten Protesten im Dezember 2023 wurde die „Beseitigung“ oder der „Tod“ der Regierung gefordert. Am 18. Dezember 2023 warfen Mitglieder der „Freien Bauern“ während einer Rede von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) rote, gelbe und grüne Strohballen in Anspielung auf die Parteien der Regierungskoalition in einen laufenden Mähdrescher. Das Videomaterial wurde auf dem YouTube-Kanal der „Freien Bauern“ mit mehr als 32.000 Aufrufen und auf der Facebook-Seite „Land schafft Bindung e.V.“ (56.000 Follower:innen) veröffentlicht. Die Seite postete auch ein Foto eines Warnschildes mit dem Konterfei des Landwirtschaftsministers, das mit „Treibjagd“ untertitelt war und im Stil einer Hatz auf den Politiker verwies.
Die Verwendung einer solchen Symbolik sowie die wiederholten Versuche, das Landvolk-Symbol zu legitimieren, indem man versucht, es von seiner historischen Bedeutung zu trennen, und die scheinbare Ignoranz der Landwirt:innen gegenüber seiner Geschichte können als Indikator für eine rechtsextreme Mobilisierungsgefahr gesehen werden. Diejenigen, die solche Symbole – wissentlich oder unwissentlich – verwenden, reproduzieren dabei antidemokratische und nationalistische Gesinnungen.
Potenzial für Offline-Mobilisierung
Am 4. Januar 2024 versperrten etwa 250 bis 300 Landwirt:innen dem deutschen Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne) den Weg von einer öffentlichen Fähre ans Festland. Nach Angaben der deutschen Polizei war die Situation vor Ort „aufgeheizt“. Nach einem zweistündigen Patt musste die Fähre schließlich aus Sicherheitsgründen abfahren, ohne den Minister von Bord lassen zu können, der von einer privaten Urlaubsreise ans Festland zurückkehren wollte. Als die Fähre ablegte, versuchten etwa 25-30 Personen, an Bord zu kommen, wurden aber von der Polizei zurückgehalten.
Eine Untersuchung von Zeit Online ergab, dass der Fährenprotest aus dem rechtsextremen Milieu stammte und über WhatsApp-Gruppen und Telegram-Kanäle organisiert worden war. Laut Zeit Online verbreitete eine QAnon-Verschwörungsanhängerin, die 2023 bei einer Kreiswahl für die AfD kandidierte, die Ankunftszeit der Minister-Fähre und teilte diese Information mit einem lokalen landwirtschaftlichen Lohnunternehmer, der nachweislich Fahnen mit dem Symbol der Landvolkbewegung einsetzt. Entsprechend aufbereitet wurde diese Information dann in einer WhatsApp-Gruppe gepostet, in der es hieß: „ACHTUNG !!! Robert Habeck lädt heute um 16:45 Uhr am Fährhafen Schlüttsiel zu einem Bürgerdialog ein! Er wünscht sich unendlich viel Interesse. Tun wir ihm den Gefallen und kommen wir mit allem, was Räder hat!“. Die Nachricht verbreitete sich schnell in lokalen Bauern-Chatgruppen, AfD-nahen und Rechtsaußen-Kanälen auf Telegram.
Der Protest wurde sowohl von der Regierung als auch von der Opposition verurteilt. Der Deutsche Bauernverband (DBV) – der größte und einflussreichste Bauernverband der deutschen Landwirtschaft – distanzierte sich von diesem Protest. Einige örtliche Landwirt:innen, die an der Blockade teilgenommen hatten, veröffentlichten nach Recherchen des ISD jedoch später Gegendarstellungen in den sozialen Medien, in denen sie den Protest aktiv herunterspielten, jegliche Verbindungen zur extremen Rechten leugneten (etwa, indem sie sich als „Opfer“ der Medien darstellten) und sich von den „Wenigen“ distanzierten, die zur Fähre gelaufen waren.
Ein Interview mit einem Landwirt, der an dem Protest teilgenommen hatte, wurde auf YouTube 146.000-mal aufgerufen. Im Gespräch mit dem freiberuflichen Journalisten Martin Lejeune (einem ehemaligen Aktivisten der Verschwörungsbewegung Querdenken) erklärte er, dass die Einladung, zum Fährhafen zu kommen, von „irgendwo“ kam und spielte das Sicherheitsrisiko für Minister Habeck sowie die Versuche, die Fähre zu „stürmen“, herunter. Er argumentierte, dass die Vorstellung, dass „normale[…] Menschen aus der Mittelschicht, hier auf dem Land” Gewalt gegen andere ausüben würden, weit hergeholt sei, aber natürlich die bessere „Schlagzeile” wäre. Außerdem warf der interviewte Landwirt Politiker:innen vor „eine Politik gegen unser eigenes Land“ zu verfolgen – und nahm damit das populistische Argumentationsmuster einer Dichotomie von „dem Volk“ und „den Eliten“ auf. Über das Interview berichtete die deutschsprachige Ausgabe der Epoch Times, einem alternativen Nachrichtenportal, das dafür bekannt ist, rechtsextreme Desinformationen und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Die Blockade der Fähre und die darauffolgenden Reaktionen sind nicht nur Ausdruck der Verbindungen zwischen einigen lokalen Landwirt:innen und Rechtsaußen, sondern verweisen auf ein Potenzial für eine Offline-Mobilisierung, das von diesen Verbindungen ausgeht.
(Internationale) Verbindungen zwischen lokalen Landwirt:innen und rechtsextremen und verschwörungsideologischen Akteur:innen
Propagierung der „Great Reset“-Verschwörung und der Leugnung des Klimawandels auf einem Bauernsymposium in Berlin
Auch schon vor den Dezemberprotesten von 2023, organisierten Landwirt:innen am 10. September 2023 eine Konferenz in Berlin, zu der prominente Vertreter:innen der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Szene eingeladen waren. Die Veranstaltung wurde als Livestream auf einem YouTube-Kanal übertragen und erreichte dort 56.000 Aufrufe. In einem weiteren Video, das auf demselben Kanal geteilt wurde, lud der Landwirt Jann-Harro P., Vorstandsmitglied der „Freien Bauern“ und des Landesverbands „Landwirtschaft verbindet Deutschland“ (LsV-D), Landwirt:innen und Bürger:innen zur Teilnahme an der Veranstaltung ein. Eine den Protesten angeschlossene Facebook-Seite (91.000 Follower:innen) teilte einen Link zum Livestream. Renate Lilge-Stodieck, Mitbegründerin und Redakteurin der deutschsprachigen Ausgabe der Epoch Times, nahm an der Veranstaltung teil und berichtete ausführlich darüber.
Zu den Redner:innen gehörte auch der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, der nach Einschätzung von Doron Kiesel (Jüdische Akademie des Zentralrats der Juden) antisemitische und rassistische Verschwörungstheorien verbreitete, darunter auch Behauptungen über einen „Anti-Weißen-Rassismus“. Auf dem Bauernsymposium teilte Maaßen xenophobe und „woke“-feindliche Ansichten und behauptete, dass „die politische Linke“ „Massenwanderung nach Deutschland“, „eine transformierte Gesellschaft“ und „sich das Volk selber aussuchen“ wolle. Er diskreditierte die Medien als „Staatsmedien“, die die „Rolle der Schutzschilde für diese ökosozialistische Regierung“ spielten, und verkündete: „Ich bin ein Ketzer und ich glaube nicht an den menschengemachten Klimawandel“, wofür er lauten Beifall erhielt.
Als Experten begrüßt wurden auch Klaus Ermecke, ein bekannter Klimaskeptiker, sowie Markus Krall, der früher enge Verbindungen zur Verschwörungs- und Reichsbürgerbewegung unterhielt. Krall warnte vor einer angeblichen „Propagandamaschine“, die „indoktrinieren, [..] kurz dummhalten solle“.
Der Landwirt Jann-Harro P. stand auch auf der Bühne und erläuterte unter anderem die Ziele der Agenda 2030, des Club of Rome, des Weltwirtschaftsforums, des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und der NGOs, die seiner Meinung nach hinter einer drohenden menschenfeindlichen Umgestaltung der Gesellschaft stünden.
Angelika Barbe, Mitglied des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, sprach ebenso auf der Veranstaltung und berichtete darüber in dem rechtsextremen Blog PI-News. Barbe behauptete, Deutschland sei eine „faschistische Diktatur“, verteufelte neben dem Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF), Klaus Schwab, „die Eliten“ und propagierte die Verschwörungserzählung des „Great Reset“ (deutsch: der Große Neustart). Barbe sprach von einem Europa, das angeblich auf dem „Weg in die Knechtschaft“ sei, da das WEF plane, „Fleisch, Milchprodukte und private Autos bis 2030 zu verbieten“. Sie unterstellte zudem, dass Covid-19-Impfungen „die Denkfähigkeit der Menschen angreifen“ würden.
Sowohl die Organisator:innen als auch die Redner:innen zeichneten Weltuntergangsbilder einer korrupten und böswilligen Regierung, während sie sich selbst als Opfer der Medien darstellten und die Bezeichnungen „rechtsextrem“ und „antisemitisch“ als politische Versuche der Linken bezeichneten, sie zum Schweigen zu bringen. Alle Redner:innen wurden mit Beifall bedacht. Die Veranstaltung bot bekannten rechtsextremen und verschwörungsideologischen Akteur:innen aktiv eine Plattform und stellte Verbindungen zwischen ihnen und einigen Organisator:innen der Bauernproteste vom Dezember 2023 und Januar 2024 her.
Von lokalen Gelbwesten organisierte Bauernproteste
Die selbsternannten Kieler Gelbwesten sind eine lokale politische Bewegung, die in der Vergangenheit Kundgebungen gegen Covid-19-Impfungen, gegen einen angeblichen „Pandemievertrag der WHO“ und gegen eine vermutete „Frühsexualisierung unserer Kinder“ organisierte. Am 8. Januar 2024, dem bundesweiten Protesttag der Landwirt:innen, organisierten die Gelbwesten einen sog. LKW-Trecker-Auto-Korso, der die Absetzung der Regierungskoalition forderte („Ampel muss weg!!!“). Der Protest wurde von einem Mitglied des Landesvorstands des Vereins Landwirtschaft verbindet Deutschland (LsV-D), mitorganisiert und hatte den Landwirt Jann-Harro P. als Hauptredner zu Gast. P. hatte nach ISD-Recherchen zuvor auf einer Demonstration der Gelbwesten am 4. November 2023 gesprochen und verkündet, dass sein Bauernhof „die dänische Herrschaft, […] das Kaiserreich, […] die Weimarer Republik, […] und die Nazi-Schergen überdauert hätte“ und auch „die BRD” überdauern würde.
Verbindungen zu einer niederländischen rechtsextremen Influencerin und der Farmers Defence Force
Am 8. Januar gab der Landwirt und Bundessprecher des Vereins „Landwirtschaft verbindet Deutschland“ (LsV-D), Anthony L., der niederländischen Influencerin Eva Vlaardingerbroek ein Interview, die zuvor beim US-amerikanischen Ex-Fox-Moderator Tucker Carlson verkündet hatte, dass „die niederländischen Landwirte genug haben und sich mutig gegen den Great Reset wehren“. Auf der Platform X (ehemals Twitter) teilte Vlaardingerbroek ein Bild von sich und Anthony L. und erklärte, dass die Landwirt:innen genug Arbeitskräfte hätten, „um einen echten Kampf gegen die Globalisten zu führen“. Sie warnte: „Keine Landwirte = keine Lebensmittel“ und: „Wenn sie fallen, seid ihr die Nächsten.“ Der Beitrag wurde 13.700-mal gepostet und 47.400-mal geliked, einschließlich eines Kommentars von Elon Musks‘ Account mit der Botschaft: „Unterstützt die Bauern!“.
Anthony L. teilte das Interview auf seinem YouTube-Kanal, auf dem das Video 86.000 Aufrufe verzeichnete. Vlaardingerbroek fragte: „Warum sind die Politiker hinter Ihnen her? Warum wollen sie euch zerstören?“, woraufhin der Landwirt antwortete, dass sie „unser Land wollen, um Industrie und Häuser für Flüchtlinge zu bauen“. Anthony L. beschrieb einen vermeintlichen Kampf gegen „die Eliten, die versuchen, uns loszuwerden“. Vlaardingerbroek behauptete auch, dass „Kohlendioxid und Stickstoff eine Lüge sind, es ist ein Vorwand“.
Deutsche und niederländische Landwirt:innen haben in der Vergangenheit außerdem Ratschläge zu Strategien ausgetauscht. Bereits im Jahr 2022 trafen sich lokale Landwirt:innen in Schleswig-Holstein mit zwei der Anführer:innen der niederländischen Farmers Defence Force (FDF), Sieta van Keimpema und Jos Ubels, zu einem „Bauernfrühstück“. Zuvor, im Jahr 2019 beschuldigte van Keimpema die niederländische Regierung, einen Bürgerkrieg zu provozieren, und behauptete, die niederländische Armee werde zum Kampf gegen die Landwirt:innen eingesetzt. Sowohl van Keimpema als auch Ubels hatten zuvor Strategien mit polnischen Landwirt:innen ausgetauscht. Bei ihrem Treffen mit der FDF-Führung diskutierten die deutschen Landwirt:innen (die alle mit den „Freien Bauern“ und dem „Verein Landwirtschaft verbindet Deutschland“ (LsV-D) affiliert sind) Klima-bezogene Desinformationen, wie z. B. die Behauptung, dass die Rinderhaltung nicht zu einem Anstieg der Treibhausgase führen würde. Die niederländische Führung der FDF gab den deutschen Landwirt:innen außerdem konkrete strategische Ratschläge für eine effektive Organisation von Protesten. Abgesehen von der Bemerkung, dass der Zeitpunkt der Proteste in den Zeitplan der landwirtschaftlichen Arbeiten passen und demnach idealerweise in den Wintermonaten bis März stattfinden müsse, ergänzte Ubels: „In Holland haben wir immer nur Demo gemacht (sic), wenn das Momentum da war. […] Die Zeit muss gut sein, aber man muss auch Momentum haben. Da muss ein Idiot in der Politik etwas sagen. […], und dann müssen wir sagen JETZT.“ Im Video heißt es weiter: „Da muss alles im Hintergrund fertig sein und ZACK“.
Bauer spricht mit der rechtsextremen Bewegung Hearts of Oak, Livestream auf Rumble
Am 11. Januar 2024 gab der Landwirt Jann-Harro P. Peter Mcilvenna von der britischen rechtsextremen Organisation Hearts of Oak ein 45-minütiges Interview. Hearts of Oak wurde von dem rechtsextremen Aktivisten Tommy Robinson und dem YouTuber Carl Benjamin (auch bekannt als „Sargon von Akkad“) gegründet, zusammen mit ehemaligen UKIP-Mitgliedern, die behaupteten, sie seien „zunehmend beunruhigt über die weltweite Woke-Agenda“. Die Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, „eine populistische Allianz für freie Meinungsäußerung zu schaffen, die dem kulturellen Marxismus, der alle Bereiche unseres Lebens durchdringt, entgegenwirken soll“.
Das Interview mit P. wurde per Livestream auf Facebook und Rumble übertragen, wo es über 45.000 Aufrufe verzeichnete. Es wurde auch im Telegram-Kanal der nach Einschätzung des sächsischen Verfassungsschutzes rechtsextremen politischen Bewegung Pegida geteilt. In dem Interview prangerte P. den Weltklimarat und die Wissenschaft des Klimawandels an und behauptete, dass der „Fokus auf Kohlendioxid völliger Unsinn“ sei. P. behauptete, dass „Nichtregierungsorganisationen“ und die Grünen versuchten, „die Bevölkerung zu degradieren“, da sie den Menschen als „Störfaktor“ betrachteten. Er machte ferner geltend, dass die norddeutschen Landwirt:innen „Ureinwohner“ seien und die Regierung daher „nicht in der Lage wäre, ihr Land zu beschlagnahmen“, was er auf angebliche Enteignungen im Zuge von Klimaschutzmaßnahmen bezog. Der Landwirt kündigte an, dass die Proteste wachsen würden, indem sie sich mit „anderen Bewegungen aus der Mittelschicht“ vereinen würden. Mcilvenna schloss das Interview mit den Worten: „Wir feuern euch hier im Vereinigten Königreich an und hoffen, dass ihr einen großen Erfolg haben werdet“.
Sprecher der Interessenvertretung der Landwirte im Gespräch mit dem rechtsextremen Sender AUF1
Am 12. Januar 2024 sprach der Landwirt Anthony L., Bundessprecher des „Vereins Landwirtschaft verbindet Deutschland“ (LsV-D), im österreichischen Rechtsaußen-Fernsehsender AUF1, der zuvor dem Rechtsextremisten und AfD-Politiker Björn Höcke erlaubte, Rassismus und Xenophobie zu verbreiten, und der konsequent eine apokalyptische Stimmung aufbaut und Weltuntergangsszenarien propagiert. Im Jahr 2023 verbot die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen AUF1 den Sendebetrieb in Deutschland. Ungeachtet dessen sendet AUF1 weiterhin per Livestream und auf YouTube.
Anthony L. teilte das Interview mit seinen 104.000 Follower:innen auf Facebook. Er unterstellte, dass die Klimapolitik der Regierung die Tötung der Hälfte des Viehbestands vorsähe, was seiner Auffassung nach auf eine maßlose Übertreibung der Regierung bei der Bewältigung der Klimakrise hindeute. Er wiederholte die unbestätigte Behauptung, dass die irische Regierung 200.000 Kühe töten wolle, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, und bekräftigte, dass die deutsche Regierung „die Bewegung nicht mehr aufhalten“ könne. Er warnte abschließend, dass die Landwirte gut vernetzt seien und „weiterhin in Schichten protestieren könnten“.
Populistische und verschwörungsideologische Gesinnungen auf Bauernkundgebungen in Berlin
Am 15. Januar 2024 sprach Anthony L. weiter auf einer Protestveranstaltung der „Freien Bauern“ in Berlin. In seiner Rede bezeichnete er die deutsche Gesellschaft als „krank“ und beschuldigte die öffentlichen Medien „Hetze“ gegen Landwirte zu schüren. Er wiederholte Weltuntergangsszenarien, die typisch für rechtspopulistische Rhetorik sind, und betonte, es sei „nicht schlimm, stolz auf seine Nationalität zu sein, auf seine Nation zu sein, auf Europa zu sein“. Er machte sich über wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik lustig und wiederholte falsche Behauptungen, wonach Deutschland unter anderem Indien „10 Milliarden Euro in den Arsch reinschieben“ würde und Milliarden für „Radwege in Peru“ zahle. Er bezeichnete Entwicklungshilfeprojekte pauschal als „pure Ideologie“ und fügte hinzu, „die Frau in Afrika braucht keine Solarpaneele auf dem Dach, die braucht Bildung“. Damit schuf er das inkorrekte Bild einer Nullsummenbeziehung zwischen Ausgaben innerhalb Deutschlands und finanziellen Hilfen für andere Länder im Einklang mit populistischer Rhetorik und förderte ein rassistisches und patriarchalisches Verständnis der westlichen Zusammenarbeit mit Ländern des globalen Südens.
Schlussfolgerung
Mehrere Organisator:innen und Teilnehmende der Bauernproteste in 2023 und 2024 griffen auf populistische und rechtsextreme Narrative und Symbolik zurück und verbreiteten sie sowohl offline als auch auf Plattformen der sozialen Medien. Die augenscheinliche Gleichgültigkeit zahlreicher Landwirt:innen gegenüber antisemitischer und nationalistischer Symbolik wie der Landvolk-Flagge und ihre Versuche, die Verwendung populistischer Rhetorik zu legitimieren, weisen auf einen potenziellen Nährboden für rechtsextreme Ideologie hin.
Sowohl die spontane Fährblockade Anfang 2024 als auch frühere Proteste wie die Nachbildung des Landvolk-Symbols in Schleswig-Holstein im Jahr 2020 mobilisierten jeweils etwa 250-500 Demonstrant:innen, obwohl sie nur auf das Bundesland Schleswig-Holstein beschränkt waren. Selbst wenn den Teilnehmenden die Verbindungen zur extremen Rechten oder die Bedeutung des Landvolk-Symbols nicht bewusst waren, zeigen beide Ereignisse das Potenzial für eine Mobilisierung, sowohl lang- und mittelfristig als auch ad-hoc, die aus einem rechten und/oder nationalistischen Ursprung entstand. Sowohl private WhatsApp-Gruppen und -Kanäle als auch Telegram spielten eine wichtige Rolle bei der Organisation nicht nur lokaler Proteste, sondern auch größerer Bauernproteste in Deutschland. Außerdem nutzten lokale Landwirt:innen häufig Facebook und YouTube, um Veranstaltungen per Livestream zu übertragen oder zu Protesten aufzurufen.
Ein genauerer Blick auf einige der Landwirt:innen, die bei der aktuellen Wiederholung der Proteste eine prominente Rolle spielten, verweist auf ein internationales Netzwerk bestehend aus Landwirt:innen, alternativen Medien, Verschwörungsgläubigen und rechtsextremen Akteur:innenen, die Klimawandelleugnung, antisemitische Verschwörungen und eine Missachtung ihrer demokratisch gewählten Regierungen verbreiten – sowohl offline als auch online. Ein immer wiederkehrendes Thema ist die populistische Entgegensetzung von „der korrupten Elite gegen das reine Volk“, die sich in der Darstellung der Landwirt:inneen als „Opfer“ ihrer „elitären“ Regierung und „woken“ Politik manifestiert. Indem sie den demokratiefeindlichen Kontext der Narrative und Netzwerke, in denen sie sich engagieren (und denen sie applaudieren), billigend in Kauf nehmen, spielen einige lokale Landwirt:innen eine gefährliche Rolle bei der Unterstützung und Förderung rechtsextremer Akteur:innen und Ideologien.
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