Am 13. März 2025 ist es zu einem erneuten, mutmaßlich islamistischen Terroranschlag in der Innenstadt von München gekommen, der zwei Todesopfer und zahlreiche, zum Teil Schwerverletzte gefordert hat. Im Nachgang des Attentates stellte sich ISD-Extremismusexperte Jakob Guhl den Fragen von Tagesschau 24 zu den Anzeichen einer islamistischen Tatmotivation, das mögliche Wiedererstarken des IS und Präventionsmaßnahmen.

Die Kernaussagen

• „Wir beobachten seit den Anschlägen in Israel vom 7. Oktober in Deutschland eine Vielzahl von Anschlägen und Anschlagsplänen. Es sind immer wieder Täter dabei, die sich auf den sog. Islamischen Staat (IS) beziehen, ohne direkte Verbindungen zum IS haben. In einer Vielzahl sind diese Attentäter entweder inspiriert, ohne einen direkten Bezug zur Organisation zu haben, kennen da niemanden oder werden aus der Ferne angeleitet, ohne Teil des territorialen Kalifats im Irak oder Syrien zu sein.“
• „Bei dem mutmaßlichen Attentäter von München passt vieles nicht zusammen. Die Ermittlungsbehörden gehen von einem islamistischen Motiv aus. Wenn man sich die Profile in den Sozialen Medien des mutmaßlichen Attentäters ansieht, wo er sich als Fitness-Influencer/Bodybuilder inszeniert und immer wieder religiöse Posts absetzt, ist es interessant, dass diese nicht eindeutig islamistisch-extremistisch sind und die politischen Inhalte im Hintergrund stehen.“ 
• „Wir haben sehr häufig ein Mischverhältnis, das zusammenkommt, dass solche Attentäter dazu führt, solche Taten zu ergreifen. Es tritt immer wieder auf, dass extremistische Netzwerke, Rekrutierer, Radikalisier und Prediger versuchen Leute anzulocken. Häufig spielen extremistische Ideologien und eine bestimmte rigide, dogmatische Glaubensauslegung eine Rolle, die direkte Gewalt gegenüber ‚Ungläubigen‘ rechtfertig, manchmal aber auch psychische Erkrankungen. Es gibt kein „Entweder/oder“!
• „In der Kriminalstatistik sind männlich Täter überrepräsentiert, besonders bei Gewalttaten. Bei extremistischen Bewegungen gibt es auch Frauen, aber gerade im Bereich der Gewalttäter sehen wir, dass deutlich häufiger Männer aktiv werden, auch im Rechtsextremismus. Es gibt gewisse Rollenbilder, die von islamistisch-extremistischen Gruppen und Ideologien vertreten werden. Da kommt Männern eher die Rolle des Kriegers und Soldaten zu, als Frauen.“
• „Bei rechtsextremistischen Attentätern und Terroristen ist der Trend, was die Geschlechter angeht, deutlich. Hier gibt es ein Mischverhältnis aus Gruppen, Ideologien und der Rolle von Sozialen Medien. Influencer, sowohl auf der rechtsextremen, als auf der islamitisch extremen Seite, sind sehr geschickt darin, die Möglichkeiten auszunutzen, die sich durch die Sozialen Medien ergeben, die Netzwerke, den Algorithmus und Formate, um ihre Inhalte zu verbreiten. Extremistische Ideologien haben gewisse Parallelen, auch wenn sie in unterschiedlicher Ausprägung daherkommen, als Rechtsextremismus, Linksextremismus oder islamistischer Extremismus.

„Wir müssen mehr wissen zum mutmaßlichen Täter, seinem Radikalisierungsverlauf, seiner Ideologie, ob er IS-Anhänger ist oder eine Art Baukasten-Extremist. Es ist wichtig, dass Organisationen und zivilgesellschaftliche Akteure gestärkt werden, die sich mit solch schwierigen Fällen befassen, wo es die Sorge gibt, dass diese Menschen in Radikalisierungsverläufe abdriften und Terrorangriffe begehen. Die Ausstiegsarbeit sollte auf eine solide langfristige finanzielle Grundlage gestellt werden. Damit kann das Risiko minimiert werden.“